Irgendwo, wo Zukunft und Vergangenheit aufeinanderstoßen, muss es einen Zwischenraum geben, eine Lücke. Oder geheime Portale in andere Welten. Vielleicht nur ein Staubkorn der Idee eines Neuanfangs? Steigen Sie mit uns in die Lücke und begeben Sie sich auf die Suche nach dem Schlupfloch in der Zeit.

Ausgangspunkt für THE GAP ist eine kurze Parabel von Franz Kafka von 1920. Er beschreibt darin die Situation des Menschen, der zwischen Vergangenheit und Zukunft eingeklemmt ist und gegen beide ankämpfen muss. Hannah Arendt stellt diese Erzählung ihrem Buch Between Past and Future: Eight Exercises in Political Thought voran und setzt dem ausweglosen Bild von Kafka die Überzeugung entgegen: „Every human being is a beginning, a beginner, a novelty, something that never existed before, something new and unprecedented.” Ein Neuanfang ist für sie daher – trotz allem – zu jedem Zeitpunkt möglich, weil der Mensch frei ist. Aber wie kann der Mensch mit diesem Anspruch der Freiheit umgehen? Welche Geschichten sollen weitererzählt und in die Zukunft mitgenommen werden und welche nicht? Ist Geschichte Voraussetzung für die Freiheit oder steht sie ihr im Weg? 

In der Performance-Installation werden die verschiedenen Aspekte von Zeit in der Musik erlebbar gemacht: das Vorwärtsstreben und Zurückdrängen, Verharren, Bremsen, Kreisen. 

THE GAP schafft einen sinnlichen Raum zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Vergänglichkeit und Neuanfang und fragt nach dem Sammeln und Weitergeben von Geschichte(n) sowie der Möglichkeit anderer Wirklichkeiten. Das Publikum durchwandert einen Raumparcours. Es trifft auf Installationen, die von kleinen Ensembles musikalisch-performativ bespielt werden. Es kann selbst klingende Topographien der Erinnerung abspielen, in Bild- und Klangarchiven stöbern oder in der Schreibstube dem Raunen von Büchern lauschen und dem endlosen Gewebe aus Texten neue hinzufügen. Unterwegs begegnet es skurrilen Zeitreisenden, die mit ihrer Time Machine im Jetzt gestrandet sind und wie alle anderen nach der Energie für einen Neustart suchen, die schließlich im Schlussakt in einem großen Tutti-Ensemblestück heraufbeschworen werden.


Der Ablauf

THE GAP kombiniert Performance und Installation und entwickelt daraus ein eigenes, raumspezifisches Format. Jede Aufführung wird für den entsprechenden Aufführungsort neu entwickelt und setzt sich aus den folgenden Modulen zusammen:

Nach einem Prolog mit einem Bassklarinettenduo folgt eine 45-minütige Phase, in denen das Publikum vier simultan bespielte Installationen erkunden kann, die über mehrere Räume verteilt sind: Archiv, Time Machine, Vergänglichkeit und den Salon d‘Écriture. In diesen Installationen verschränken sich instrumentale Aktionen kleiner Ensembles oder Soli mit skulpturalen Elementen, Video und Licht. Die vier Installationen setzen sich mit einzelnen Aspekten des thematischen Rahmens auseinander. Sie sind eher suggestiv als repräsentierend, sinnlich, verblüffend und spielerisch, bisweilen auch mit einem Augenzwinkern. Sie geben dem Publikum Raum, um zu wandeln, zu verweilen, zu sehen und zuzuhören.

Nach der Installationsphase folgt ein Übergangsstück für E-Gitarre Solo, das das Publikum im zentralen Aufführungsraum für den Schlussakt zusammenführt. Nach und nach versammeln sich dort immer mehr Musiker:innen. Die Musik verdichtet sich zu einem großen, ca. 15-minütigen Instrumentalstück, das von CNZ und Contrechamps gemeinsam gespielt wird und das räumlich so angelegt ist, dass das Publikum in einen immersiven Klangraum eintaucht.


Die Zonen

Die Installationen wurden aus den instrumentalen Handlungen der Musiker:innen heraus entwickelt. Zwei der Installationen (Vergänglichkeit und Archiv) sind wie Metainstrumente: raumgreifende, skulpturale Installationen, um die das Publikum herumgehen kann und in die die Musiker:innen integriert sind und sie bespielen, wie in einer eigenen Welt. Bei der Installation Vergänglichkeit handelt es sich um eine große skelettartige Konstruktion, in der teils Schlagzeuginstrumente, teils Alltagsgegenstände gehängt sind. Viele der verwendeten Instrumente selbst sind von ihrer Zeit geprägt – durch Material, Form oder Herkunft erzählen sie eigene Geschichten von Vergehen und Wandel. Die meisten Objekte drehen sich um sich selbst, werden immer langsamer, wenn der sie bespielende Schlagzeuger ihnen nicht neue Energie gibt – eine sisyphosartige Situation der Vergänglichkeit und des Lauschens auf das Verklingen der Klänge in der Zeit. 

Im Archiv sind die Bögen der drei Streicher:innen eines Streichtrios über lange Schnüre mit drei Plattenspielern verbunden. Auf ihnen liegen Platten mit Musik aus dem Schlussakt, die sie eingespielt haben. Durch eine Choreographie von Zug- und Stoppbewegungen spielen die Streicher:innen gleichzeitig ihre eigenen Instrumente und „scratchen“ die Platten, spielen mit dem Vor- und Zurück ihrer musikalischen Zeit. Diese Situation ist eingebettet in einen aus unterschiedlichsten Möbelstücken collagierten Aufbau mit vielen Schubladen und Ablagen, in denen sich fiktive Archivalien befinden, die das Publikum entdecken kann – teils als Projektionen, teils in Glaskolben verschlossen, teils als kryptische Schriftstücke. Darüber hinaus gibt es Plattenspieler-Installationen, die statt Vinyl-Rillen mit Kontaktmikrophonen Objekte abtasten und dabei eigenständige Klanglandschaften erzeugen.

Die dritte Installation, Time Machine, ist eine retro-futuristische Vision, die mit Lust am Absurden auf alte Science-Fiction-Motive zurückgreift: zwei Musiker sind über Kabel und Klangmaschinen zusammengespannt und versuchen, wie verirrte Zeitreisende, zusammen mit dem Publikum die richtige Energie aufzubringen, um sich durch ein Schlupfloch in der Zeit hinauszubeamen aus den Dilemmata unserer Gegenwart. Die vierte Installation, Salon d’Écriture, schließlich lebt von den Zuschauer:innen selbst. Sie können an Tischen Platz nehmen, in Texten stöbern, Gedanken notieren und diese in die Bibliothek der Neuanfänge einfügen. Der Raum wird dabei vom Flüstern der Bücher gefüllt, die zu organischen, mit Transducern gespickten Papierskulpturen ausgewuchert sind und aus denen geheime Botschaften zu vernehmen sind, wie das Rauschen eines Blätterwalds.

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